„Schön, dass Du da bist!“

Heilerziehungspflegerin Susanne Kersten berichtet zum Internationalen Tag der Pflege über ihre Arbeit

Foto: LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven Staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin: Der Beruf und das Aufgabenfeld der jungen Fachkraft sind den meisten Menschen unbekannt.

Foto: LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven Sichtlich Spaß bei der Arbeit: Zu Susanne Kerstens Aufgaben in der Tagesförderstätte gehört es, ihren Klient:innen arbeitsweltbezogene Angebote zu machen, wie beispielsweise Gartenarbeit.

Foto: LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven Immer in Bewegung: Susanne Kersten bei einer Gehübung mit einem ihrer Klienten.

Susanne Kersten spannt den riesigen, grauen Sonnenschirm vorm Selsinger Vördewerk, der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen der LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven, über zwei Klienten auf. Auch wenn sich die beiden nicht verbal äußern können, wird durch ihre Mimik und Gestik deutlich, dass sie es genießen, eine kurze Pause an der frischen Luft zu verbringen und die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres zu tanken. Auch Susannen Kersten strahlt – souverän und mit Freude meistert die junge Fachkraft der LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven den Tag mit ihrer Gruppe. Die 26-Jährige ist Teil des Teams der Tagesförderstätte (TFS). Hier werden Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf durch ihren Alltag begleitet. Die TFS gehört zum Vördewerk und sorgt dafür, dass die meist mehrfach schwerstbehinderten Beschäftigten auch außerhalb ihrer eigenen vier Wände eine passende Tagesstruktur haben. Sie erhalten Angebote zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und arbeitsweltbezogene Teilhabeangebote.

Förderung, Bildung und Pflege: ganzheitliche Arbeit

Susanne Kersten ist Heilerziehungspflegerin (HEP). Im vergangenen Jahr hat sie erfolgreich ihre dreijährige Ausbildung abgeschlossen, bei der sich Unterricht an der Berufs- oder Fachschule und praktische Arbeit in einem Betrieb oder einer Einrichtung abwechseln. HEP sind interdisziplinäre Fachkräfte, die sowohl sozialpädagogisch-heilpädagogisch ausgebildet sind als auch über pflegerische Kompetenzen verfügen. Die Aufgabe von HEP ist es, Menschen mit Behinderungen ganzheitlich und nach individuellen Bedürfnissen durch ihren Alltag zu begleiten, sie zu fördern und bei Bedarf zu pflegen, um sie bei der gesellschaftlichen Teilhabe und einer weitestgehend selbständigen und selbstbestimmten Lebensführung zu unterstützen.

HEP gehören offiziell zwar zur Gruppe der pädagogischen Berufe, doch die pflegerischen Aufgaben sind unzweifelhaft Teil des Berufsbildes. Am 12. Mai, dem Internationalen Tag der Pflege, ist es deshalb angebracht, ihren Einsatz sowie den ihrer Kolleg:innen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe zu würdigen und auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Die LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven ist eine Einrichtung der Eingliederungshilfe. Diese bieten Menschen mit Behinderungen medizinische Reha und Leistungen zur Teilhabe an Bildung sowie zur sozialen und beruflichen Teilhabe. Die Eingliederungshilfe wurde im Jahr 2020 durch das Bundesteilhabegesetz in weiten Teilen neu geregelt. Eine große Herausforderung für die Arbeit der gesamten Einrichtungen und somit auch für die zu begleitenden Menschen bildet dabei die Regelung, dass anders als in Pflegeheimen Klient:innen hier nicht entsprechend ihres Pflegegrades Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, sondern maximal einen pauschalen Höchstbetrag (derzeit 266 Euro).

Motivation: Rückmeldung der Klient:innen

„Bei uns steht der Förderaspekt im Vordergrund, den wir stets mit Bildung und Pflege verknüpfen“, erklärt Susanne Kersten ihre Arbeit. Je nach Einrichtung oder Bereich variieren die Tätigkeitsschwerpunkte von HEP. In der Tagesförderstätte wie auch in bestimmten Wohnformen der LEBENSHILFE sind der Unterstützungs- und auch der Pflegebedarf der Klient:innen besonders hoch. „In der Tagesförderstätte haben wir Klient:innen, die teilweise schon sehr lange hier sind, deshalb geben ihnen Routinen und ein standardisierter Tagesablauf Sicherheit“, weiß sie. Das heißt allerdings nicht, dass die werktäglichen Betreuungszeiten von 8 bis 16 Uhr immer gleich und eintönig für die LEBENSHILFE -Mitarbeiterin ablaufen – im Gegenteil.

Zu ihren vielfältigen Aufgaben gehört unter anderem, die Gruppenmitglieder bei Verpflegung sowie Körperhygiene zu unterstützen, mit ihnen therapeutische Maßnahmen durchzuführen, beispielsweise mittels Snoezelraum (Schonraum), der Außenreize aussperrt und für Entspannung und Wohlbefinden sorgen soll, oder ihnen arbeitsweltbezogene Angebote zu machen, wie Garten- und hauswirtschaftliche Arbeiten oder Bring- und Holdienste. „Die Klient:innen hier können sich größtenteils nicht verbal artikulieren, nicht sagen, wenn sie Schmerzen haben oder sie etwas stört. Dann gehen wir auf ‚Problemsuche‘, bis wir gemeinsam herausgefunden haben, was los ist. Wir leisten also sehr verantwortungsvolle Aufgaben. Auch die Gabe von Bedarfsmedizin gehört beispielsweise dazu“, berichtet die Bargstedterin. „Das ist eine große Herausforderung, aber die Rückmeldung der Klient:innen ist das Schönste. Ich kenne sie und weiß, was sie mir mit ihrer Mimik und Gestik mitteilen möchten. Wenn ein Blick sagt: ‚Schön, dass Du da bist!‘, dann motiviert mich das immer wieder.“

Inspiration: vom Nachhilfe-Job zum Berufswunsch

Auf den Sozialbereich und ihren späteren Beruf ist die Fachkraft dank eines Schülerinnen-Jobs aufmerksam geworden: „Ich habe einem Mädchen Nachhilfe gegeben, die einen Bruder mit Autismus-Spektrum-Störung hat. Ich fand das ganze Thema interessant und habe mich weiter damit auseinandergesetzt“, erinnert sie sich. Auf die Fachhochschulreife folgte daher ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven. Nachdem sie schnell merkte, dass die anschließend begonnene Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin nicht das Richtige ist, kehrte sie zur LEBENSHILFE zurück und absolvierte dort den praktischen Teil ihrer HEP-Ausbildung.

„Die schulischen Anforderungen sind sehr hoch. Im Nachhinein muss ich aber sagen: Sie sind absolut gerechtfertigt und richtig. Denn mit der erfolgreichen Ausbildung erhielt ich schließlich den Titel staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin, der einen Bachelor Professional in Sozialwesen einschließt. Beim praktischen Teil im Betrieb kam es sehr auf den Draht zu meiner jeweiligen Ansprechperson (Mentor:in) in den verschiedenen Bereichen an. Insgesamt habe ich aber viel Praktisches gelernt und bin in der Lage, selbständig und eigenverantwortlich zu handeln. Wie bereits gesagt, es gehört zum Arbeitsalltag, dass wir auch wichtige Entscheidungen zum Wohle der Klient:innen treffen“, blickt die Mittzwanzigerin auf ihre Ausbildungszeit zurück.

Wertschätzung: gesellschaftliche Anerkennung für gesellschaftsrelevante Tätigkeit

Eine Vergütung der HEP-Ausbildung von Betrieben oder Einrichtungen ist übrigens nicht vorgeschrieben und findet daher nicht immer statt. Die LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven bezahlt ihre Auszubildenden. Susanne Kersten hat dennoch in den ersten beiden Jahren nebenbei gejobbt, um sich etwas dazuzuverdienen. „Ich wünsche mir mehr Wertschätzung und Aufmerksamkeit – sowohl für den Beruf der HEP als auch für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen generell. Das schließt die Bezahlung mit ein, aber ebenfalls die Bekanntheit des Berufs und das Wissen über unsere Leistung. Sobald ich Leuten davon erzähle und sie sich damit beschäftigen, ist der Respekt schon da“, ist die Niedersächsin überzeugt und ergänzt: „Und das ist sehr wichtig. Wir brauchen viel mehr Personen, die Lust haben mit Menschen mit Behinderungen zu arbeiten. Ich denke, dadurch wird die Arbeit dann auch attraktiver, das bedingt sich alles gegenseitig.“

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Medienkommunikation

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